"Jetzt mach doch mal Sitz Arthur, das hatten wir doch besprochen." Herr Maier wirkt ziemlich genervt und unentspannt. Kein Wunder. Dachte er doch, sich seinem Hund deutlich mitgeteilt zu haben. Dachte er!
Welcher Hundebesitzer kennt nicht diese peinlichen Situationen in der Öffentlichkeit, wo es doch zu Hause angeblich so gut funktioniert? Die Blicke derer, die sich in der Nähe aufhalten, sind bestenfalls mitleidig, schlimmstenfalls angstverzerrt. Beim Chihuahua milde l ächelnd, beim Rottweiler wechselt die Gesichsfarbe von rosig nach weiß. Bei selbigem kommen schon mal Kommentare wie „Den sollten Sie aber besser unter Kontrolle haben“ und "jetzt auch noch ein Leckerchen für schlechtes Benehmen". Was läuft hier gerade schief? Ganz klar. Arthur hat mit seinem Herrchen ein Kommunikationsproblem.
Bei meiner Arbeit als Tierpsychologin erlebe ich immer wieder, daß die Probleme zwischen Mensch-Hund oftmals rein kommunikativer Natur sind. Wir plappern Bello voll, weil er doch so verständnisvoll wirkt. Wir umarmen ihn ganz fest, weil er doch so süß dreinschaut. Und wenn er dann mal zuschnappt, weil’s ihm gerade zu viel wird, ist er der "undankbare Hund". Wo wir uns doch so für ihn aufopfern. Aber, so denken nur Menschen, Hunde ticken anders. Hunde brauchen klare Regeln und Grenzen, d.h. einen Chef, der konkrete Ansagen erteilt. Sie brauchen einen Leader, der Verantwortung übernimmt und Sicherheit bietet. Bekommen unsere Fellfreunde immer genau das, was sie dringend brauchen? Cesar Milan (amerikanischer Hundeprofi) hat es einmal auf den Punkt gebracht: Bewegung, Disziplin, Zuneigung. Und genau in dieser Reihenfolge. Die fehlende Auslastung führt oft zu Verhaltensproblemen, denn bei allem, was wir unseren Hunden heutzutage zumuten, sie sind immer noch Hunde und wollen auch als solche behandelt werden. Nehmt Euch Zeit für Euren Sozialpartner. Lasst Euch auf ihn ein, damit Ihr ihn verstehen lernt. Hunde wollen gefordert werden. Da gibt es tausend Möglichkeiten. Hunde brauchen Sicherheit und Verlässlichkeit. Eine innige Vertrautheit ist die Basis einer guten Beziehung. Darauf kann man aufbauen. Aber Beziehungen gibt es nicht umsonst. Beziehungen sind Kosten-Nutzen-Rechnungen. Das heißt, Bindung entsteht durch gemeinsames Spiel, Pflegemaßnahmen und häufige Sozialkontakte. Stimmt die Bindung, ist der Rest eine Kleinigkeit. Denn Menschen, die eng mit ihrem Hund sind, sind auch bereit, seine Körpersprache zu verstehen. Es geht nicht nur um "Sitz", "Platz" und "Komm". Wer erfolgreich mit seinem Hund kommunizieren will, muß lernen, wie sie sich untereinander verständigen: Nase, Stirn, Schwanz, Ohren, alles wird eingesetzt. Für sie ist wichtig, daß wir Menschen uns klar ausdrücken, authentisch sind und situationsgerecht handeln. Nur dann sind wir für sie berechenbar. Nur so können wir Missverständnisse, wie eingangs beschrieben, verhindern.
Aber, wenn es doch so einfach ist, wieso setzen wir es dann nicht konsequent um? Nun, der treue Blick, die erhobene Pfote, das herzzerreisende Fiepen lassen uns alle Vorsätze wieder über Bord werfen. In der Hundeschule ist ja immer noch Zeit, die Kommandos durchzusetzen. Aber die Hundeschule gibt eben nur die Anleitung dazu, wie es im Alltag funktionieren sollte. Mit besten Absichten trotten Herrchen/Frauchen gemeinsam mit Bello vom Hundeplatz, um gleich darauf das Ruder wieder abzugeben. Was hat der Hund gelernt? Auf dem Hundeplatz benehme ich mich, wie’s von mir verlangt wird, danach mach‘ ich wieder meinen eigenen Stiefel und kümmere mich um mich selbst. Traurige Angelegenheit, oder?
Also Leute, Hintern hoch, raus an die frische Luft und an der Beziehung arbeiten. Dann klappt’s auch mittwochs.
Als sich der Radfahrer der Frau mit Schäferhund nähert, klingelt er. Tolle Geste! Der denkt mit. Denn Radfahrer haben oftmals die Angewohnheit, sich entweder lautlos heranzurollen oder mit Karacho und Staub aufwirbelnd vorbeizudonnern. Beides keine guten Lösungen. Der Klingelnde lag irgendwo dazwischen, er rollte sich sozusagen moderat an die nahende Katastrophe heran. Denn die Frau telefonierte und der Schäferhund schmiedete daraufhin seinen eigenen Plan. Er hatte bereits den Radfahrer im Visier, denn diese findet er prinzipiell doof, also entschied er, dass der Radfahrer abzusteigen hätte. Vorfälle wie dieser, passieren tagtäglich.
Spaziergänger, die mit der einen Hand das Handy ans Ohr halten und mit der anderen die Leine versuchen zu managen, sind mit Situationen wie oben beschrieben, häufig überfordert. Denn es bleibt in der Regel ein Versuch, da beides gleichzeitig zu tun nun mal schief geht. Ein Hund, der es auf Radfahrer oder Jogger abgesehen hat, benötigt unsere volle Aufmerksamkeit, damit es nicht zu gefährlichen Übergriffen kommt. Aber auch die anderen, die relaxed bleiben bei der vorbeirauschenden „Beute“. Als Coach für Hundemenschen "verbiete" ich meinen Klienten das Handy beim Gassigang. Auch bei denen, deren Hunde nichts gegen Jogger oder Radfahrer haben. Was hat das alles noch mit Beziehung zu tun? Ins Telefonat vertiefte Manager oder in die Welt der Mode entrückte Freundinnen haben keine Augen mehr für ihren Vierbeiner. Der Trödler ist aber auch wieder langsam heute. Schnüffelt an jeder Ecke und es geht nicht voran. Na und? Hat er nicht das Recht, die olfaktorischen Botschaften seiner Artgenossen wahr zu nehmen? Er musste schließlich unter Umständen den ganzen langen Tag auf diesen Spaziergang warten. Freudig wedelnd und voller Erwartungen an Herrchen oder Frauchen, sitzt er bereits an der Tür. Und hat er nicht das Recht, endlich die Zuwendung zu bekommen, auf die er so lange Stunden geduldig warten musste? Die Zuwendung, die wir unserem Sozialpartner schuldig sind. Natürlich haben wir die besten Vorsätze. Bewegung an der frischen Luft und nicht nur für 10 Minuten. Doch was nützt es Bello, wenn wir zwei Stunden mit ihm unterwegs sind, aber nicht bei ihm sind. Er will Hund sein dürfen. Und er braucht die Interaktion mit uns und dass wir seine Bedürfnisse berücksichtigen. Dazu gehören Kommunikation, Spiel, Laufen, Rennen und sich gegenseitig wahrnehmen. Zusammen Spaß haben. Den Wald erobern.
Den Verlockungen der Welt der Smartphones zu widerstehen, ist nicht leicht und die Modetipps der besten Freundin zu ignorieren scheint uns doch sehr übertrieben. Vielfach erlebe ich, dass Hunde fragend nach ihrem Menschen schauen und keine Antwort bekommen, weil diese gerade nicht zur Besinnung kommen. Hunde durchschauen uns sofort und fangen an, selbst zu entscheiden. Von einem Miteinander kann in diesem Fall nicht mehr die Rede sein. Der Hund bleibt völlig sich selbst überlassen.
Wenn ich mit meinen Tierheimhunden durch den Wald laufe, dann hat jeder einzelne meine volle Aufmerksamkeit. Im Sommer nehme ich die 10-Meter-Schleppleine und die Hunde schwimmen mit Begeisterung im See. Bei Regen nehmen wir jede Pfütze und der Wald bietet viele Möglichkeiten der Zerstreuung, u.a. auf gefällte Baumstämme zu klettern. Agility im Wald. Geht auch. Und bereits nach einer Stunde sind die Hunde glücklich und wir trotten zufrieden zurück. Sie lachen mich an, denn zwischen uns ist etwas passiert, das mir kein Handy bieten kann: Gemeinsamkeit.